Sonntag, 23. September 2007

Russland ist Wunderland

Mit letzter Kraft und zittriger Hand schreibe ich vom Bett aus diese Zeilen. Die unangenehme Erkenntniss des gestrigen Abends kam mit aller Gewalt über mich ... Kalmücken sind wackere Trinker. Derweil erscheinen hier die Ereignisse der letzten Tage zunehmend surreal und nur das geklaute Weinglas mit dem eingravierten "E" zeugt noch davon, dass wir tatsächlich im Ekaterinenpalast mit der Bürgermeisterin Cognac getrunken haben, nur das Scherbenmeer im Treppenhaus bestätigt, dass mich tatsächlich ein Russe mit Machete am Gürtel um 3 Uhr morgens eingeladen hat, mit einer Steinschleuder Stahlkugeln auf Bierflaschen zu schießen (war sauschwer) und nur der Wörterbucheintrag zu "fluorografia" belegt, dass uns die Russen nach dem AIDS-Test jetzt tatsächlich auch noch röntgen wollen.

Immerhin war letzte Woche langsam mal so etwas wie ein Alltag erkennbar. Als wir Montag morgen voller Ehrgeiz an den schlafenden Hunderudeln und dem Pferd, das seit einigen Tagen vor der Uni angebunden ist, vorbei in die Fakultät kamen fanden wir alles verwaist vor. Eine Stimmung als ertönte gleich die letzte Sirene und der Befehl zur Sprengung des Gebäudes. Überall wo wir geklopft haben - Totenstille und das um 10 in der Früh. Das Rätsel klärte sich auf, als uns erklärt wurde, dass die Arbeit in Russland durchaus um 8:30 anfange, es jedoch akademisches Privileg der Professoren wäre erst um 11 zu erscheinen ... und mit ihnen auch der ganze Rest der Belegschaft. Seit dem fangen unsere Tage etwas später an - was mir nicht gerade unangenehm ist. Die Vorlesungen waren dann eher abenteuerlich. Zwar können wir sogar aus einem kleinen Kanon englischer Vorlesungen wählen, aber es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass eine Vorlesung eine halbe Stunde zu spät anfängt und dadurch beendet wird, dass der Prof einen Beweis in den Sand setzt und frustriert abbricht. Als wir Prof. Trojan unsere Verwunderung schilderten, dass es bei den Sehenswürdigkeiten verschiedene Preise für Ausländer, Russen, ausländische Studenten und russische Studenten gäbe, gab er auf deutsch den bemerkenswerten Spruch "Da sehen sie - Russland ist Wunderland" von sich.

Am Dienstag schließlich wurden uns endlich die roten Teppiche ausgerollt, auf die wir seit drei Wochen warten. Zarskoje Zelo ist ein ehemaliges Zarenschloss, dessen Direktor sich in den letzten 30 Jahren scheinbar sehr um die Restauration der Anlage und die Wiederherstellung des dort installierten Bernsteinzimmers verdient gemacht hat, womit sein 60 Geburtstag ein gesellschaftliches Ereigniss in Petersburg ist. Seine Geburtstagsgala wurde stilecht im Palast abgehalten, Schauspieler, Politprominenz und andere Leute, die die Boulevardpresse beschäftigen kamen zu diesem Anlass ... und wir. Der Kerl ist befreundet mit einem Professor der ökonomischen Fakultät und hatte es diesem ermöglichet, zehn exklusive Einladungen zu seiner Feier an Studenten zu vergeben. Zwei BWLer sprangen ab und somit wurde Platz für zwei schlechtgekleidete Physiker, die nicht wussten, wie ihnen geschah. Über den roten Teppich wurden wir durch die Palastanlage direkt auf den Ekaterinenpalast geführt, als wir das Gelände betreten beginnt auf dem Balkon des Palastes eine Blaskapelle zu spielen und wir stellen uns etwas beklemmt mit den anderen Studenten neben eine riesige Eisskulptur, wo man uns gleich den ersten Schampus in die Hand drückt. Nach diesem Stehempfang wurde die etwa 150 Mann umfassende eitele Gesellschaft durch den Palast in den großen Saal geführt. In einigen Räumen waren Musiker aufgestellt, die das Palasterlebnis auf Cemballo und Querflöte noch verstärkten. Durch das Bernsteinzimmer gelangten wir schließlich in den großen Saal, wo zum Anfassen vor uns ein kleines Orchester Aufstellung nahm und in den folgenden zwei Stunden so ziemlich alle Solisten des Mariinsky Theaters begleitete, Sänger, Pianisten, Geiger und ein italienischer Saxophonist. Ein kompletter Kinderchor nahm für ein einziges Stück Aufstellung, so dass die Zahl der Musiker dann die Zahl der Gäste überschritt. Danach ging es ans Buffet. Für jeden Gang war ein Saal des Palastes vorgesehen. Den ersten Vodka im Vorspeisensaal betteten wir auf eine solide Kaviar-Grundlage und mit jedem Löffel weiteren Bissen schluckten wir mehrere Monatsmieten. Nach dem Hauptgang im zweiten Saal krönte der Schokobrunnen im Nachspeisensaal schließlich unseren kulinarischen Abend. Vollgefressen und von der Klassik beseelt wurde uns zu Allem Überfluss noch ein Feuerwerk synchron zur gespielten Musik dargeboten und wir hiernach Nobel-Taxibusen nach Hause oder zur U-Bahn gebracht. Alles in Allem ein netter Abend gewesen.

Um den Eintrag nicht unnötig lange werden zu lassen, breche ich hier ab und vom Besuch in der Kunstkamer, dem Peterhofer Palast und vom Knödelessen mit den Mädels, die uns in die Heremitage begleitet haben hänge ich nur Bilder an.

Knödelessen
Kunstkammer

Petrodvoretz


Zarskjoe Selo

2 Kommentare:

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