Dienstag, 4. September 2007

Dobro Paschalovat


Servus...
Wir sind angekommen und nach einer Woche hat sich das erste Chaos mittlerweile soweit gelegt, dass ich eine Stunde im Computerraum verbringen kann. Ein erstes Resumee: Russland hat uns ... Wir wohnen fuer 80 Eur im Jahr (!!) in einer Bauruine, unsere Mitbewohner haben im Allgemeinen mehr als zwei Beine, es ist bitterkalt und regnet seit wir hier sind ... mit einem Wort: Es ist fantastisch!!
Aber von Anfang an:
Donnerstag letzte Woche fuhr uns mein Garchinger Nachbar (dank dir, Juergen) nach einem etwas chaotischen letzten Abend in aller Fruehe an den Flughafen, von wo aus wir um 8:10 Richtung Osten entschwebt sind. Einige Stunden spaeter, in Petersburg angekommen, werden wir tatsaechlich am Flughafen abgeholt und wir lernen Ines und Ruediger, zwei Dresdner kennen, mit denen und einer gehoerigen Portion Humor wir uns bis heute durch den russischen Buerokratiedschungel schlagen. Nach einer schier endlosen Fahrt durch den Petersburger Stadtrand laedt uns Dimitri schliesslich am Filmset des postnuklearen Terminator V ab und behauptet wir waeren am Wohnheim angekommen.... dem war denn auch so. Ohne dass wir wissen, wie uns geschieht werden wir durch vielerlei fuersorgliche Haende gerreicht, um schliesslich Bewohner von Zimmer 35 im 14. Block des Wohnheims zu werden, wo lediglich das eruptiv aufsteigende Mittagessen half einen Entsetzenschrei zu unterbinden. Die Toilette ist praehistorisch, die Klobrille muss manuell aufgelegt werden, die Dusche laeuft durch ein verschimmeltes Loch im Boden ins Ungewisse ab, der Schimmel an der Decke laesst jedoch vermuten, dass die Russen unter uns stets mit uns Duschen muessen, ob sie wollen oder nicht. Nach einigen Stunden im neuen Zimmer war denn auch klar, dass wir lediglich die obere Schicht einer Bewohnerschaft stellen, die mehrere evolutionaere Stufen ueberspannt.

Um es kurz zu machen: Entsetzen und Faszination mischten sich am Abend zu gleichen Teilen mit einigen Flaschen Bier, die die Realitaet an diesem ersten Abend auf ein akzeptables Mass daempften und zu einer nicht gerade geruhsamen Nacht fuehrten. Ach ja: Auf den Bildern sind neben uns Ruediger, Ines und Andreas, ein Russlanddeutscher, der gerade an einer E-Mail an den russischen Kultusminister tueftelt, zu sehen.
Am naechsten Tag... begann der Papierkrieg. Er erwischte uns eiskalt morgens in der Innenstadt, wo uns die Vorhut einer Armee russischer Sekretaerinen mit "Schdaitje, paschalujsta - Warten sie bitte" auf unser Tagesgeschaeft einschwor. Den Rest des Tages hielten wir uns stehend in wechselenden Fluren vor diversen Bueros mit mehr oder weniger Formularen in der Verwaltung auf - die ein Grossteil des Hauptgebaudes okkupiert. Was wir dort eigentlich gemacht haben - davon haben wir keine Ahnung. Wie in einem Computerspiel mussten wir durch Unterschriften stets neue Level mit neuen Formularen freischalten, deren Sinn sich uns selten erschloss und auch selten ein Fortschritt erkennbar war. Am Abend verliessen wir die Front wie wir gekommen waren - ohne Papiere und Ahnung, hatten aber eine Menge Dokumente produziert, ausgefuellt und transferiert, die sich leichter in Masse als in Stueckzahl bemessen laesst.
Im Wesentlichen ging es bis heute so weiter, mit dem Unterschied, dass wir souveraener Warten, dem Ganzen mit einer stoischen Gelassenheit gegenueberstehen und unsere Passnummer auswendig koennen. Um einem falschen Eindruck vorzubeugen: Es koennte uns nicht besser gefallen. Dass wir unsere empfindlichen Hintern nicht auf samtene Klobrillen betten koennen, hatten wir erwartet und dass wir Haustiere haben, gegen die man mit Spraydosen vorgeht hat uns auch nicht weiter erstaunt. Immer wieder ueberrascht jedoch sind wir davon, mit welcher Freundlichkeit uns die Russen aufnehmen und dass fuer Eingeweihte in dieser ganzen Buerokratie tatsaechlich ein Muster erkennbar sind und wir scheinbar noch ganz obenauf schwimmen. Heute waren wir an der Fakultaet - ein Traum. Geraete von vorgestern, streunende Hunde - ein Institut der komplett begrenzten Moeglichkeiten. Aber eine Atmosphaere, wie sie sympathischer nicht sein koennte. Mehrere Stunden lang wurden wir von Professor zu Professor gerreicht, die nicht Muede wurden, uns ihre tollsten Aufbauten zu zeigen, ihre Mitarbeiter vorzustellen und uns zu erklaeren, dass sie auch ganz viele Geraete aus Deutschland haetten. Jedenfalls sieht alles Bestens aus. Wir werden einen Sprachkurs direkt an der Fakultaet bekommen, koennen tatsaechlich zwischen einigen Vorlesungen auf Englisch waehlen und uns wurden schon Jobs in der Festkoerperspektroskopie angeboten.
Ach ja - und was unser Wohnheim nicht schafft, damit dient St. Petersburg - die Innenstadt geht ueber vor Schoenheit und Prunk. Leider war es verregnet und grau - daher kein schoenes Bild. Unser Internetzugang hier ist noch sehr provisorisch ueber Computerraum mit begrenzter Zeit und Volumen, daher werde ich nur kleine Bilder posten. Wir hoffen bald einen Anschluss auf unsrem Zimmer zu bekommen - unsere Nachbarn (Dimitri und Dimitri) haben schon einen.

2 Kommentare:

webdigga hat gesagt…

Freut mich von Euch zu hören. Ich denke mal ihr habt meine Rundmail auch bekommen. Heute Abend kann ich wahrscheinlich ein paar Fotos machen in einer Kamera von einer der vielen Deutschen hier und dann werd ich hier auch mal was posten.
Viele Grüße nach Rußland!!

Anonym hat gesagt…

Lieber Andreas!
Habe mit großem Interesse Deine russischen Impressionen gelesen. Gefällt mir alles sehr gut.
Die "Blog-Adresse" habe ich von Hans. Weiter alles Gute und
herzliche Grüße nach St.Petersburg
Bernd (Onkel)